Manchmal fühlt es sich an wie der berühmte, aber vergebliche Kampf Don Quijotes gegen die Windmühlen. Letztlich macht es nur ein weiteres Mal fassungslos, wie mitten in Europa aufgrund einer unheiligen Allianz reaktionärer Kräfte in Kirche und Staat und deren grossen Einflusses Menschen für menschenrechtliches Engagement vor Gericht gestellt werden und ihnen eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren droht. Konkret geht es um drei junge Frauen, die 2019 durch eine Aktion für die Rechte von LGBTIQA-Menschen öffentlich „auffällig“ wurden und nun wegen angeblicher Verletzung religiöser Gefühle von Gläubigen hinter Gitter sollen. Die Strafnorm als solche ist schon ein Skandal und gehört auf den Müllhaufen der Geschichte in der Reihe all der vielen Formen von Ausgrenzung, Marginalisierung und Ausschluss, die allesamt aus derselben Verweigerung der Zuerkennung von gleichen Rechten für Menschen herrührt, egal ob sie Mann oder Frau oder divers, lesbisch oder schwul, transgender, inter- oder asexuell oder was auch immer sind.

Fassungslos macht auch, dass sich immer noch Kirchenleute weigern, die wissenschaftlichen Standards aus der Theologie im allgemeinen und der Bibelwissenschaft im besonderen oder aus den verschiedenen Humanwissenschaften auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Bibel ernst nehmen, hiesse – kurz gesagt – ihren roten Faden von Befreiung und Emanzipation, gewoben aus den Kämpfen so vieler Frauen und Männer und junger Menschen zum Kriterium kirchlichen Redens und Handelns zu machen.
„Reich-Gottes-verträglich muss es sein“, würde ein gut befreundeter Theologe sagen und sich damit auf die zentrale Ansage Jesu vom Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit für die Erde berufen können.
Und die „Tat“ der drei jungen Frauen war eine, die ganz in dieser Linie steht: Mutig und menschenrechtlich wie die der grossen biblischen Gestalten, indem sie in einer digitalen Fotomontage des berühmten Madonnenbildes von Tschenstochau den Heiligenscheinen von Maria und Jesus die Farben des Regenbogens gaben, das Ganze auf Plakaten in der Stadt Plock aufhängten und sich damit für die Rechte verfolgter Menschen einsetzten. – Anna, eine der drei Aktivistinnen, wird im Deutschlandfunk zitiert: „Zwei Wochen vor unserer Aktion hat sich ein transsexueller Junge, Wiktor hieß er, vor den Zug geworfen. Er wurde von seinen Mitschülern drangsaliert, mehrere Male musste er in die Psychiatrie. Dort schlug ihm auch vom medizinischen Personal nur Verachtung entgegen. Das ist eine Geschichte von systematischer Gewalt.“

Nun stehen die drei Frauen, die sich mit Fug und Recht auf Maria, die von der Erhöhung der Erniedrigten singt, und auf den aufständischen Jesus berufen können, seit zwei Wochen vor Gericht. Es braucht die anderen Kirchenleute, es braucht uns, die mit den Frauen jene grosse Vermutung teilen, die die Geschichte von Maria, von Jesus und vielen anderen war: Die vom befreienden Gott, die vom Recht auf erfülltes Leben für jeden einzelnen Menschen, die von der Gerechtigkeit für diese Erde. Und die, die Aktivistinnen unterstützen.
Peter Bernd