Gerne wünschen wir mit dem herausfordernden alten Jahr im Rücken, dass sich das neue freundlicher erweise. Und Mut wollen wir vielleicht einander wünschen bei allem, was es noch zu tun oder lassen gilt.
Nur: Schwer zu sagen, was Mut ist. – Auf seinem neuesten Album singt Herbert Grönemeyer über „Mut“:
…Zuversicht zwischen Zeilen
Gedanken in der Zwischenzeit
An alle und die schon sehr fehln
Ich rede einmal nicht
Und lass mir erzählen von einer ganz andern Sicht
Wie verbreitet sich der Mut des Herzens
Wie enteilt man der Raserei
Und bring ich Ruhe in die Bewegung
Und steh ich auf für eine weite Zeit
Rund um den geweihten Abend
Zieht das Jahr Bilanz
Erlässt die Fehler und lehrt verzeihn
Das Leben ist ein Seiltanz
Ein hauchzartes Porzellan
Versuchung und Unwägbarkeit
Doch der Funke glimmt
für einen Aufbruch
der gegen alle Ströme schwimmt
Schwer zu sagen, was Mut ist.
Die Bibel nennt Mut ganz oft anders und sagt dafür Hoffnung. Das macht deutlich, dass nicht die Möchtegrossen, die Mächtigen, die Reichen, die Militärs, die Eliteeinheiten mutig sind. Egal, was kommt, die organisieren sich. Die erfinden Anti-Terror-Gesetze und dergleichen oder hauen drauf. Mutig sind in der Bibel kleine Leute, vor allem die, die den äußeren Unterdrücker, den Mächtigen mit seinen Angstparolen nicht länger verinnerlichen wollen, sondern die heraustreten ans Licht. Die, was auch immer das dann heißt, das Leben wieder in die Hand nehmen, das Denken anfangen und aneinander die Herzen stärken und bilden.

Warum ihr Mut Hoffnung heißt? Weil nicht jeder Kampf zu Ende gekämpft wird. Weil es Niederlagen und Misserfolge gibt und geben wird. Aber auch weil das Licht der Hoffnung durch alle Risse scheint, die der Mut im Leben dieser Menschen gekostet hat. Und weil darum irgendwann andere da sein werden, die die Befreiung schaffen, die von ihnen angefangen wurde. Leonard Cohen singt einmal („Anthem“): „There is a crack in everything. That’s how the light gets in.“ „Da ist ein Riss in allem. So kommt das Licht herein.“
Herbert Grönemeyer ist ganz nah an der Art und Weise, wie die Bibel spricht. Ihre Namen, die Namen derer, „die schon sehr fehlen“ und die Geschichten der Kleinen und Ohnmächtigen erzählen von dem Wie und den Versuchen. Und dass sie aufgestanden sind, aller Welt zum Trotz, mit offenem Wort den Mächtigen ins Gesicht.
Und steh ich auf für eine weite Zeit…
Das wollten wir im Frühjahr, als zum ersten Mal alles runtergefahren wurde. Dass das Denken wieder wichtig wird, und die Einsicht obsiegt, dass wir es nur zusammen schaffen können. Nein, nicht nur die Pandemie – schaffen. Sondern unser gemeinsames Leben mit allem, was lebt, was „mit einer Kehle atmet“, wie es die Bibel in gerechter Sprache an einer Stelle ins Bild bringt, mit allem, was wachsen und gedeihen will – schaffen. – „Eine weite Zeit“ schaffen.
Schwer zu sagen, was Mut ist. Wir denken an Menschen dabei. Das ist gut. Und ja, die Pfleger und Ärztinnen gehören dazu. Sie haben sich allem ausgesetzt. Und es ging und geht nicht einfach gut. Auch Helfer*innen starben. – Und Menschen von der Kasse beim Migros…
Wir sehen bei einem Spaziergang während des Lockdowns die Musiker*innen vor uns, die auf dem Zentralplatz in Biel die Lebenslust auf Gesichter hinter Masken zauberten.
Wir hörten und lasen und hören und lesen von Antifaschist*innen und Freund*innen, die unermüdlich erinnern und immer wieder hinstehen, die auf den Strassen für das Leben der Letzten Stimme und Körper einsetzen, die Baumhäuser bauen gegen das Abholzen, die Suppe kochen, die die Kirchen öffnen und heizen, die Gottesdienste an der Abbruchkannte feiern oder mit den mutigen Indios im Regenwald.
Und wir freuen uns, dass die ganz Jungen dabei sind und die schönsten Ideen haben. Das macht Hoffnung, dass das Neue besser wird.
Die Bibel nennt die Hoffnung manchmal auch Mut. Es gibt in allem einen Riss, so kommt das Licht herein. Und steh ich auf für eine weite Zeit?
Wir wünsche euch Mut, wir wünschen euch Hoffnung für das neue Jahr. –
Mit einem Bekenntnis von Dorothee Sölle:
Ich glaube an Gott, den Allmächtigen,
unsere Unvernunft und allen Größenwahn.
Ich glaube an den schöpferischen Geist und
die Kraft unserer Gemeinschaft,
die Leben schafft und Leben schützt, aufsteht
gegen tödliche Bedrohung und lähmende Ohnmacht.
Und an Jesus Christus, unseren Bruder und Gottessohn,
der den Himmel erdet und
die Erde mit dem Himmel verbindet,
der gelitten hat unter unserer Schwachheit,
der gekreuzigt wurde von unserem fehlenden Vertrauen,
und gestorben ist an unserer lähmenden Angst,
begraben unter unserer Gleichgültigkeit,
hinabgestiegen in das Reich der Mächtigen,
der unter uns aufersteht mit jeder neuen Hoffnung,
mit jedem Tropfen guten Wassers,
mit jedem Atemzug gesunder Luft,
mit jeder Blume, die den Kopf nicht hängen lässt.
Und er wird unterscheiden zwischen denen, die den Tod betreiben
und denen, die für das Leben
einstehen.
Euer Pfarreiteam Dreikönig
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